München 1972
Bei den Olympischen Sommerspielen belegten zwei US-Amerikaner die beiden ersten Plätze im 400-Meter-Wettbewerb. Die Aufnahme zeigt die beiden Medaillengewinner während ihrer Siegerehrung, die wie gewöhnlich mit einer Huldigung der Nation des Siegers durch Abspielen der Nationalhymne einher gehen sollte.

Angesichts der sonst üblichen steifen Haltung, mit der sportliche Sieger mehr oder weniger freiwillig für die Verherrlichung ihrer Nationen strammstehen, stellt sich jedoch hier die Frage: Warum lungerten die beiden damals so verdammt cool auf diesem Siegerpodest herum??

Zur Erklärung dieser skurrilen Siegerehrungsszenerie hilft es, ein weiteres, viel bekannteres Foto von den Olympischen Spielen in Mexico vier Jahre zuvor zu betrachten:

Es zeigt die Siegerehrung für die Medaillengewinner im 200-Meter-Lauf der Männer. Beim Abspielen der US-amerikanischen Nationalhymne protestierten die Gold- und Bronzemedaillengewinner Tommie Smith und John Carlos (beide USA) mit erhobenen Fäusten und gesenkten Köpfen gegen die Diskriminierung der farbigen Bevölkerung in den USA.

Smith erklärte später: Während er mit erhobener rechter Faust für black power eingetreten sei, habe die linke Faust von Carlos die Einheit des »schwarzen Amerika« symbolisiert. Das schwarze Halstuch, das Smith getragen hat, sollte für den Stolz der schwarzen US-AmerikanerInnen stehen. Dass sie beide mit schwarzen Socken und ohne Schuhe zur Siegerehrung erschienen seien, habe schließlich die Armut der Schwarzen in den USA verdeutlicht.

Noch während der Spiele wurden Smith und Carlos auf Beschluss des Nationalen Olympischen Komitees der USA aus dem US-amerikanischen Leichtathletik-Team ausgeschlossen. Beide wechselten die Sportart und setzten ihre sportliche Karriere in der National Football League fort.

 

Zurück zu 1972: Auch den beiden 400-Meter-Siegern Collet und Matthews wurden ihre Lässigkeit und ihre demonstrative Distanziertheit gegenüber dem nationalistischen Ritual als Affront gegen die guten Sitten im allgemeinen und den olympischen Geist im speziellen angekreidet.

Ihnen wurde unterstellt, dass sie quasi auf subtile Weise die Szene von 1968 zitieren und ebenfalls für Black Power demonstrieren wollten. Die beiden bestritten zwar diese Absicht, aber ihnen wurde vom IOC trotzdem jede weitere Teilnahme an den Olympischen Spielen verboten.