elektronische Fußfessel

„Die elektronische Fußfessel bietet auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance zu einem geregelten Tagesablauf zurĂŒckzukehren und in ein ArbeitsverhĂ€ltnis vermittelt zu werden. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, denn viele Probanden haben es verlernt, nach der Uhr zu leben und gefĂ€hrden damit gerade auch ihren Arbeitsplatz oder ihre Ausbildungsstelle. Durch die Überwachung mit der elektronischen Fußfessel kann eine wichtige Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden.“

Quelle: PresseerklÀrung der CDU-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein vom 20.2.2002

Das Hirn

hab gerade mal meine webseiten aufgerĂ€umt und dabei eine schöne geschichte gefunden, DAS HIRN (von dĂŒrrenmatt). und die geht so:

Wenn die moderne Kosmologie sich vorstellt, die Welt sei aus dem Nichts entstanden, als Explosion eines dimensionslosen Punkts, worin nicht nur alle Materie und Energie des Weltalls, sondern auch dessen Zeit und Raum zusammengezwĂ€ngt waren, eine nur mathematisch mögliche Konstruktion, so können wir uns auch statt dieses rein hypothetischen Punktes ein reines Hirn vorstellen. Ein Hirn ohne Idee einer Außenwelt, weil es keine gibt; und wie das Weltall 16 Milliarden Jahre Zeit hatte, bis es seinen jetzigen Zustand erreichte, so hat dieses Hirn 16 Milliarden Jahre Zeit weiterzudenken, mehr noch, auch die Zeit, die das Weltall braucht, bis es sich ins Nichts verliert oder rĂŒcklĂ€ufig wird, um wieder, eine Billion Jahre nach seiner Explosion, mit dem zusammenschrumpfenden Raum – vielleicht zwei Monate mehr oder weniger – in den dimensionslosen Punkt zurĂŒckzufallen. Zuerst wird das Hirn nur fĂŒhlen, und weil es nichts außer ihm gibt, das es zu fĂŒhlen vermag, wird es nur sich fĂŒhlen, aber da es mit nichts gespeichert ist, >>>

Autoindustrie (Jungle World-Artikel)

Und in der Wochenzeitung Jungle World 15/2005 vom 13.4.2005 auf Seit 8 mal was ĂŒber die Krise der Autoindustrie: „Schuld ist immer der Manager. Geringere Profite bei Mercedes sind die Folge einer Überproduktionskrise in der Autoindustrie“.

Chomsky-Interview

Chomsky.jpg
„Noam Chomsky, 2004“
von Duncan Rawlinson CC BY 2.0

Vorletzte Woche hab ich mit Stephan zusammen ja Noam Chomsky (li. im Bild; „Arguably the most important intellectual alive“ – The New York Times) interviewt. Er war in Berlin wegen einer Linguisten-Tagung und hat einen Vortrag an der FU gehalten.

Stephans Interview aus der Berliner Zeitung ist online. Die beiden Interviews (andere Fragen, andere Antworten!) sollen – wenn nicht noch was dazwischenkommt – am Freitag, den 8.4.05, in der Wochenzeitung „Freitag“ und am Donnerstag, den 14.4.05, in der bundesweiten Tageszeitung „Neues Deutschland“ erscheinen (letzteres mittlerweile gegen Geld online lesbar). Also beehrt mal wieder Eueren ZeitungshĂ€ndler oder Eure ZeitungshĂ€ndlerin.

Nachtrag 12.6.05:

Jetzt hat der Freitag doch noch gefallen gefunden und eine gekĂŒrzte Version in der Ausgabe vom 10. Juni gedruckt.

Nachtrag 22.4.05:

Das ND-Interview erschien wie geplant. Mit dem Freitag gab es Komplikationen, die letztendlich dazu fĂŒhrten, das das Interview dort nicht erschien, obwohl ich es pĂŒnktlich am 4.4. dort eingereicht hatte. Denn der Papst musste ja unbedingt zeitgleich seinen Löffel abgeben und damit nahm das Unheil seinen Lauf: Der Freitag verschob das Interview ohne weiteren Kommentar und somit war das ND mit seinem Drucktermin einen Tag vor der nĂ€chsten Ausgabe. Irgendwann hab ich dann beim „Freitag“ nochmal nachgefragt, wie es denn mit dem Interview so steht und bekam folgende Antwort:

„Lieber Herr Euskirchen,

soweit ich gesehen habe, ist das Interview vor einer Woche im ND an exponierter Stelle auf Seite 3 gedruckt worden und war in entscheidenden Aussagen identisch mit der uns angebotenen Fassung – damit entfĂ€llt ein Abdruck im „Freitag“.

Das Interview war in einer von mir bearbeiteten Fassung fĂŒr die Ausgabe dieser Woche vorgesehen. Ich schicke Ihnen die entsprechende Datei im Anhang. Sie werden daraus ersehen, wie sehr redigiert werden musste – denn die von Ihnen angebotene Version war stellenweise Ă€ußerst konfus und ließ eine konzentrierte GesprĂ€chfĂŒhrung vermissen.

Herzlich – xxxxx“

Bisher war von einer Mangelhaftigkeit meiner Arbeit gar nicht die Rede.

Ok, Junge – dachte ich mir – du bist neu in der Branche. Was solls. Und: Wer nicht will der hat schon. Und: Ausfallhonorar ist bestimmt auch so eine Regelung, die es nicht ins 21. Jahrhundert geschafft hat.

Also schrieb ich folgende Antwort an den Freitag:

„lieber xxxxx,

es tut mir leid wenn ihnen die form nicht gefallen hat, sie hĂ€tten ja nochmal um bearbeitung bitten können, genug zeit wĂ€re ja gewesen – a propos genug zeit: ich hatte ihnen extra das interview frĂŒhzeitig zugeschickt, damit sie es – wie von ihnen auch geplant – vor dem nd abdrucken können. und dass der papstrummel dazwischen kam, ist zwar nicht ihre – aber genausowenig meine schuld.

mfg“

gespart hab ich mir folgendes postskriptum (nachtreten gibt ja bekanntlich die rote karte und hier im halbprivaten bereich ist das was anderes):

„abgesehen davon fĂ€llt mir nur ein, dass das interview ‚in entscheidenden aussagen identisch‘ ist mit so ziemlich allen interviews, die chomsky zeit seines lebens gefĂŒhrt hat. dachten sie, sie kriegen was exklusives von chomsky, was nie gehörtes, wie z.b. ‚ich liebe doughnuts und schlage meine frau‘?“

Mit Tocotronic auf dem Narrenschiff

das tocotronic-konzert gestern abend, eine angekĂŒndigte reise mit dem narrenschiff. ‚pure vernunft darf niemals siegen‘, so der dialektik-der-aufklĂ€rung-lastige hit vom aktuellen album.

höhepunkt war der schluss. ’neues vom trickser‘ endete in einem sonic-youth-artigen gitarren- und rĂŒckkopplungsgewitter. immer wieder der refrain: „einszueins ist jetzt vorbei“. bis mir durch den kopf ging: klar, das meint die aufkĂŒndigung des klassenkompromisses.

da die letzten worte v.lovzows, geschrien aus vollem hals ĂŒber das die lĂ€rmwand hinweg: ‚halsmaul deutschland‘. dann noch auf dem boden rumkriechend rĂŒckkopplungen bastelnd und schluss. das war punkrock.

materialien:

  1. Sebastian Brants â€șNarrenschiffâ€č war bis zu Goethes â€șWertherâ€č das erfolgreichste Buch in deutscher Sprache. Erstmals gedruckt zur Fastnacht 1494 in Basel, schildert es menschliche SchwĂ€chen und Verfehlungen im satirischen Sinnbild des Narren und greift dabei mittelalterliche Traditionen auf, die in humanistischer Perspektive, aber auch im Kontext des oberrheinischen Fastnachtstreibens, konkretisiert und neu gedeutet werden. In der Beigabe von Holzschnitten, die wohl teilweise von dem jungen Albrecht DĂŒrer stammen, nutzt Brant bewusst die Möglichkeiten des neuen Druckmediums. Das â€șNarrenschiffâ€č kann als literarisch gefilterter Spiegel der Umbruchszeit um 1500 gelesen werden und bietet sich (etwa im VerstĂ€ndnis von Michel Foucault) als Dokument frĂŒhneuzeitlicher Fortschrittsskepsis an. In der lateinischen Version von Jakob Locher (â€șStultifera Navisâ€č, zuerst 1497) hat das â€șNarrenschiffâ€č auf die zeitgenössische Literatur und Kultur weiter gewirkt, wie etwa Murners â€șNarrenbeschwörungâ€č und â€șSchelmenzunftâ€č, die Straßburger Narrenschiff-Predigten Geilers von Kaysersberg und Erasmus’ von Rotterdam â€șLob der Torheitâ€č bezeugen.
  2. http://ik.euv-frankfurt-o.de/module/modul_IV/archaeologie.html
  3. Michel Foucault sagt in «Eine Geschichte des Wahns im Zeitalterder Vernunft»: «Man könnte fast sagen, dass Wasser viel mit Wahnsinnzu tun hat. Und Wasser hat auch viel mit Emigration zu tun. Viele wichtige Episoden der Emigration bestehen aus dem Überqueren desMeeres, oft mit einem Schiff.» Das Narrenschiff nahm eine besondere Stellung in den metaphorisch-maritimen Diskussionen der damaligen Zeit ein. Foucault erwĂ€hnt, dass im frĂŒhen 15. Jahrhundert Wahnsinnige und Geisteskranke auf Schiffen fortgebracht wurden. Das Narrenschiff diente dazu, die Irren, die aus der befestigten Stadt NĂŒrnberg vertrieben wurden, auf eine ziellose Reise mitzunehmen. Die Passagiere gehörten nirgendwo mehr hin.

„MilitĂ€rrituale“ lieferbar!

Immer noch lieferbar, immer noch lesenswert:

Markus Euskirchen

MilitÀrrituale.

Analyse und Kritik eines Herrschaftsinstruments

Papyrossa-Verlag, Hochschulschriften 59, etwa 240 Seiten

EUR 17,50; SFR 30,20

ISBN 3-89438-329-1

Ist im April 2005 im Papyrossa-Verlag erschienen und ist dort direkt zu bestellen.

Warum und wozu gibt es MilitĂ€rrituale und wie funktionieren sie? Am Beispiel der Bundeswehr stelle ich die verschiedenen Formen militĂ€rischer Rituale dar und typologisiere sie: das Gelöbnis als Initiationsritual, mit einem Exkurs zur Rolle der Kirche; StaatsempfĂ€nge als Imponierrituale; Wache und StaatsbegrĂ€bnis als Ehren- und Trauerrituale; Kranzniederlegungen als Erinnerungs- und Gedenkrituale; Großer Zapfenstreich als ritualisierter MilitĂ€rauftritt, mit einem Exkurs zum Wachbataillon als Spezialtruppe.

Derlei Rituale verweisen auf die ultima ratio staatlich-politischer Logik und schaffen Akzeptanz fĂŒr die Anwendung militĂ€risch organisierter Gewalt. Abschließend werfe ich auch einen Blick auf die vielgestaltige Protestbewegung gegen öffentliche MilitĂ€rauftritte. [English Summary]

Leseproben der zugrundeliegenden Dissertationsschrift gibt’s bei der Uni-Bibliothek. Einen Textausschnitt hat die Wochenzeitschrift Jungle World als Dossier veröffentlicht: Unter Kommando. Über direkte und strukturelle Gewalt beim MilitĂ€r.

PS: Zur AktualitĂ€t von Ritualen, Drill und Tradition fĂŒr die Herstellung von Kampfbereitschaft: Ein Artikel ĂŒber die 1.900 traumatisierten Bundeswehr-KĂ€mpfer, in dem „Bundeswehr-Experten“ mehr Drill und Traditionspflege fordern.