S-Bahn im Privatisierungskarussell

S-Bahn-Chaos in Berlin. Ist eigentlich nicht viel dazu zu sagen: Ist ja nicht das erste Debakel einer Bahnprivatisierung. Scheint also sozusagen empirisch gesichert, Privatisierung von Eisenbahn: Schlechte Idee, lĂ€uft nĂ€mlich nach folgendem Schema ab: Ausgangssituation: Bahn als öffentlicher Betrieb funktioniert, Reibungsverluste gibt es in jedem Betrieb, aber die Substanz (Menschen und Material) ist gesund und der Laden lĂ€uft – dann kommt es irgenwann aus dem Filz von Lobby und Politik: Privatisierung! Irgendein akademischer Diskurs (z.B. „Neoliberalismus“) liefert die Ideologie – die entscheidenden Konsequenzen laufen oft unter der Hand: zuerst wird gar nicht der EigentĂŒmer, sondern „nur“ die formale Eigentumsform geĂ€ndert – das reicht aber völlig denn es bringt die Änderung der Handlungslogik mit sich: vom Zweck „MobilitĂ€tsgewĂ€hrleistung“ hin zum Zweck „Profitmaximierung“. Irgendwann wachsen dann die sogenannten SachzwĂ€nge, wie im Fall der S-Bahn durch den geplanten Börsengangs des Mutterkonzerns Deutsche Bahn. Profitabel wird ein Börsengang in erster Linie fĂŒr die sogenannten Investoren, d.h. Anteilseigner der dann börsennotierten Bahn AG. Eine Aktiengesellschaft wirtschaftet fĂŒr die Dividenden ihrer Anteilseigner, nicht fĂŒr Mitarbeiter_innen und Nutzer_innen.

Die Konsequenzen dieser Handlungslogik zeigen sich schon heute, wĂ€hrend die Bahn fit gemacht werden soll fĂŒr ihren Börsengang und daher ihre Tochterunternehmen „ausschlachtet“: Die meisten Kosten lassen sich sparen mit der Entlassung von Mitarbeitern, kurzfristig fĂ€llt die Entlassung von Wartungsmitarbeitern eben auch noch nicht so auf – nachhaltige Instandhaltung ist nicht mehr drin, das verschĂ€rft die Vernutzung der Infrastruktur – weiteres Profitpotenzial bietet die Unterlassung von Investitionen – die Substanz wird in Form von Dividenden aus dem Unternehmen gezogen, in der Sache (MobilitĂ€t) bedeutet das Zerfall und Leistungsabbau – die Preise bleiben natĂŒrlich hoch, selbst Preissteigerungen werden erwogen und angekĂŒndigt (um den Betrieb – aber eigentlich die Profite bzw. Dividenden – zu sichern) – gegen jede Schadenersatzforderung wird erstmal alle Konzernpower in die Lobby geschickt. Die Politik agiert blind und dumm: Statt ganz staatstragend die Allgemeinen Produktionsbedingungen (Marx) sicherzustellen, lanciert der rot-rote Senat „Hekates Lösung“ (Watzlawick): Mehr davon! D.h., wenn die Privatisierung der S-Bahn/DB noch nicht genug war, dann muss doch die Aufteilung des Streckennetzes auf viele konkurrierende Betreiber (mehr Privatisierung) helfen…

Dagegen sprechen nur die, die es besser wissen, z.B. von der Initiative „Bahn von unten“ oder von der Betriebsgruppe „Transparenz fĂŒr die Basis“, die aber nicht gehört werden, denn wenn man sie machen ließe, dann wĂ€ren systemische Eingriffe zu befĂŒrchten, gar an der Eigentumsform könnte gerĂŒttelt werden – und letzteres steht (noch) nicht an. Denn da geht noch was bei der S-Bahn. Einige Wagen fahren noch. Einige Kunden zahlen noch. Obwohl man munkelt, dass Kontrollen nicht mehr so viele stattfinden. WĂ€r ja noch schöner. Erst wenn dann irgendwann gar nichts mehr geht, dann wird auch das Kapital sagen: Mensch, die S-Bahn ist ja kaputt, das ist nur öffentlich instand zu setzen. Oder aber ein Autokonzern kauft die kaputten Reste, sorgt dafĂŒr, dass sie kaputt bleiben und verkauft statt dessen noch mehr Autos – gabs alles schon, in diversen US-GroßstĂ€dten in den spĂ€ten 70ern/frĂŒhen 80ern. – Naja, hier gibts ja noch die GrĂŒnen und so. Daher wirds eher so laufen: Nachdem alles was geht, in private Taschen abgesahnt ist, darf dann aus öffentlichen Taschen wieder aufgebaut werden.

Wenn die SteuersĂ€cke wenigstens mit fetten Unternehmens-, Erbschafts-, Kapitaltransfer-, Vermögenssteuern usw. gefĂŒllt wĂ€ren. Sind sie aber nicht. Denn Neoliberale Haushalte sind den sozial Schwachen abgetrotzt. D.h. diejenigen, denen jetzt auch schon ihr oft einziges MobilitĂ€tsmittel unter dem Arsch weg ruiniert wird, werden die Misere irgendwann auch noch wieder ausbaden dĂŒrfen. Und werden dann wohl auch noch dankbar dafĂŒr sein sollen. Ich muss aufhören drĂŒber nachzudenken oder gar zu schreiben, sonst kotz ich in die Tastatur. – Aber nein, ein Gedanke noch, dieses Enteignungssystem flutscht zu schön: Ist die urbane Bahn-MobilitĂ€t erst wieder hergestellt mit den Geldern derjenigen, die sich nicht wehren können (zwei Hauptgruppen: abhĂ€ngig BeschĂ€ftigte mit in der Regel kleinen Einkommen und TransfereinkommensempfĂ€nger, denen netto stĂ€ndig die BezĂŒge gekĂŒrzt werden), dann kann das ganze in die nĂ€chste Runde gehen, irgend eine besonders fortschrittliche Reformfraktion wird es wieder durchsetzen, die Bahn wird wieder privatisiert werden, nach dem alten Motto: Gewinne privatisieren, Verluste wird das Umverteilungskarussell sich weiter drehen.

Nur in meinen TrĂ€umen schmeißen Bahner_innen die Politiker, Manager und AktieneigentĂŒmer aus ihren BĂŒros, um die Instandsetzung des Betriebes selbst zu organisieren, schicken Bahnbenutzer_innen die Kontrolleure gemeinsam und entschlossen Kaffee trinken, hilft die Polizei den reibungslosen Ablauf öffentlicher MobilitĂ€t zu gewĂ€hrleisten statt Demonstranten zu verprĂŒgeln. Bis es soweit ist, können wir anfangen uns zu organisieren, z.B. im AktionsbĂŒndnis Nahverkehr. Das hat sich angesichts der desolaten Situation der S-Bahn gegrĂŒndet. Es besteht aus MitarbeiterInnen und FahrgĂ€sten der S-Bahn. Es hat sich zum Ziel gesetzt, FahrgĂ€ste und BeschĂ€ftigte zusammenzubringen und gegen das Kaputtsparen der S-Bahn zu mobilisieren.

NĂ€chste Kundgebung | 30. Januar | 13 Uhr | Ostkreuz

NĂ€chstes Treffen des AktionsbĂŒndnis Nahverkehr: 22. Januar 2010. Ort: Haus-der-Demokratie, Greifswalder Straße 4 10405 Berlin, Zeit: 18 Uhr

Weitere Infos unter: buendnis@gmx.net

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