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zu biodiversität fällt mir ein:

ich lese gerade clastres [1] und seine „staatsfeinde“ (Society Against the State [2] – La Société contre l’État). was er am beispiel der südamerikanischen waldbevölkerungen und -gesellschaften beschreibt, hätte – analog zum hype um biodiversität – zu einer soziodiversitäts-diskussion und (wenigstens bei linken) letztlich zur idee des ‚respekts vor der soziodiversität‘ führen müssen (soziodiversität als eigener normativer wert – und nicht nur als „sociodiversity and biodiversity, two sides of the same equation“, die als potentielles kapital zu schützen sind, wie der mainstream ja schon fordert).

was die vielen verschiedenen und doch miteinander nicht nur über krieg in verbindung stehenden waldgruppen an verschiedenen organisationsformen ausprobiert, entwickelt und stabil praktiziert haben, ist mindestens so erstaunlich wie die biologische artenvielfalt der region. aber leider tatsächlich schon ausgestorben bzw. ausgerottet. und nur noch mehr oder weniger spekulativ bzw. plausibilitätsargumentativ zu rekonstruieren aus den schriften vor allem der jesuiten aus dem 16. jahrhundert. die haben als ethnographen – im gegensatz zu den ethnologen des 19. und 20. jahrhunderts – ein wenig genauer und ausführlicher beschrieben und noch nicht einem wissenschaftlichen verständnis gemäß das ‚beschreibungsobjekt‘ mit ihren universalistischen und elitären vorstellungen ‚totprojeziert‘.

was ich eigentlich sagen will: wäre es nicht eine ganz andere – und vielleicht die eigentlich linke position zur biodiversität – auf so etwas wie soziodiversität hinzuweisen: die Moderne Gesellschaft ist nicht das natürliche endziel aller gesellschaftlichen entwicklung bzw. wir können uns nicht nur was anderes als kapitalismus, klassengesellschaft und staat vorstellen, sondern wir wissen, dass diese Anderen Gesellschaften unter den verschiedensten bedingungen zu verschiedensten zeiten als stabile gesellschaften existiert und floriert haben, ohne willen oder bedarf, jemals in die richtung zentralisierter, hierarchischer staatsgesellschaften zu ‚evolutionieren‘. im gegenteil: diese „gesellschaften gegen den staat“ lassen ihre politische sphäre beschreiben als subtiles arrangement von machtverhältnissen, die genau diese evolution in richtung gesellschaftlicher herrschaftsinstitutionen kontrollieren, vorbeugen, verhindern… genau das tut clastres und die politische anthropologie in der tradition des strukturalismus (z.b. levi-strauss).

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