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Bienen und Gendreck

NachbarInnen eines in Rostock zerstörten Genfeldes fertigten diese Anzeige als Reaktion [1]Noch der Versuch, mich ins Privateste, ins „Hobby“ Imkerei, zurückzuziehen, konfrontiert mich nach kürzester Zeit mit den Verhältnissen, die die Gültigkeit der Kategorie des Privaten sprengen. Ich hätte es wissen können: Schon seit November 2006 greift in den USA ein mysteriöses Bienensterben um sich. An der Ostküste verschwanden mehr als siebzig Prozent der Bienenvölker, an der Westküste sechzig Prozent.

Insgesamt waren damals, beim ersten Auftreten des später so genannten Colony Collapse Disorder [2], 22 Bundesstaaten betroffen. Die Bedrohung lässt sich sogar ganz platt in einer volkswirtschaftlichen Zahl fassen: Das Risiko durch massives Bienensterben beträgt in den USA etwa 14 Milliarden US-Dollar. Dies ist der jährliche Beitrag der Bienen zum Umsatz der Branche durch ihre Bestäubungsleistung. Auch deutsche Imker beklagen Verluste: 25 Prozent der Bienenvölker im gesamten Bundesgebiet meldete der Deutsche Berufs- und Erwerbs-Imkerbund für 2006. Die Bienen kehren aus bislang ungeklärten Gründen nicht in ihren Stock zurück. Auffällig ist dabei, dass verlassene Stöcke nicht, wie sonst üblich, sofort von anderen Insekten ausgeräubert werden. Möglicherweise sind dafür eingetragene Gifte oder Pilze verantwortlich. Auch Klimawandel und Artenarmut werden als Ursachen genannt.

Auch die Produktionsbedingungen der industrialisierten Landwirtschaft tun ihr Schlechtes. Das Hauptproblem aus Bienensicht mit der industrialisierten Landwirtschaft stellen die Konzentrationstendenzen (die landwirtschaftlichen Betriebe werden immer größer und fabrikähnlicher) und ihr Hang zu profitmaximierender Raumvereinheitlichung und Monokultur dar: Es blühen nur noch ganz wenige Fruchtsorten auf riesigen Flächen. In der Tendenz bildet der „flurbereinigte“ ländliche Raum über weite Zeiträume des Jahres eine Wüste, in der Bienen Mangelernährung leiden und Bienenvölker immunschwach und anfällig für Parasiten werden oder sogar verhungern, vgl. Was tun? [3].

Und dann noch die sogenannte grüne Gentechnik: Neben den grundsätzlichen Einwänden gegen transgene Lebewesen ([1 [4]], [2 [5]]) gibt es spezifisch an den Effekten auf Bienen orientierte Forschungsergebnisse: So ergab der Zufall bei einer Studie [6] (vgl. Abschlussbericht [7]) des Biologen Hannes Kaatz [8], dass bereits mit Parasiten befallene Bienen nach der Fütterung mit konzentriertem Bt-Maispollen der Sorten Bt176 und MON810 signifikant häufiger starben als in der entsprechenden Kontrollgruppe, die mit konventionellem Pollen gefüttert wurde:

Im ersten Jahr waren die Bienenvölker zufällig mit Parasiten (Mikrosporidien) befallen. Dieser Befall führte bei den Bt-gefütterten Völkern ebenso wie bei den Völkern, die mit Pollen ohne Bt-Toxin gefüttert wurden, zu einer Abnahme der Zahl an Bienen und in deren Folge zu einer verringerten Brutaufzucht. Der Versuch wurde daher vorzeitig abgebrochen. Dieser Effekt war bei den Bt-gefütterten Völkern signifikant stärker. (Die signifikanten Unterschiede sprechen für eine Wechselwirkung von Toxin und Pathogen auf die Epithelzellen des Darms der Honigbiene. Der zugrunde liegende Wirkungsmechanismus ist unbekannt.) Quelle [6]

Auf gesunde Bienen hatte der gv-Pollen keine negativen Auswirkungen. Nicht zuletzt aufgrund der „Macht wissenschaftlicher Zusammenfassungen“ [9] fallen derart industriekritische Forschungsergebnisse, wenn sie denn veröffentlicht werden, leicht unter den Tisch: Der Hinweis auf die signifikant höhere Sterblichkeit findet sich nur irgendwo inmitten der ausführlichen Berichterstattung, nicht jedoch in der Zusammenfassung. Immerhin nahm der Spiegel das Thema auf und brachte das Phänomen auf den spektakulären Begriff: „Aids im Bienenstock“ [10] (12/07, 58f). Die liberale Wochenzeitung die Zeit hingegen ließ einen kritischen Leserbrief [11] zu ihrer allzu liberalen Abhandlung [12] des Themas (vgl. einen weiteren eher agroindustrie-freundlichen Zeitartikel [13]) nicht zur Veröffentlichung zu.

Dabei kommt Kaatz durchaus zu differenzierten Schlüssen. Auf die Frage: „Was bedeuten diese Ergebnisse für die Imkerei beziehungsweise für die aktuelle Situation? Angenommen, es gäbe wieder einen genehmigten MON810-Anbau in Deutschland – könnten wir solche Ergebnisse mit dem allseits zitierten Bienensterben zusammenbringen?“ lautet seine Antwort:

Nein, das können wir sicher nicht zusammenbringen. Das wird zwar oft gemacht, aber das ist absolut abwegig, solange wir keinen großflächigen Anbau von Bt-Pflanzen [Herv. mois] in Deutschland haben.
Wir machen ein großes Bienenbeobachtungs-Projekt, das in diesem Jahr [2009] abgeschlossen wird. Die Ergebnisse zeigen, dass Bienenvölker aus anderen Gründen sterben. Um Bienenvölker umzubringen, brauchen wir kein Bt, das ist ganz klar. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die eine verhältnismäßig große Rolle spielen. Einer davon ist das Klima. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Varroa-Milbe als Primärparasit der ganz entscheidende Faktor ist. Man kann auch feststellen, dass sich viele Imker auf die veränderten Klimabedingungen nicht ausreichend eingestellt haben. Das Frühjahr wird sehr kurz und intensiv, die Blühphasen der Trachtpflanzen erfolgen früher und die Pollenversorgung im Spätsommer wird schlechter.

Inklusive interessanter praktischer Hinweise für die Bienenhalterei:

Zusammen genommen führt das dazu, dass die Bienenvölker früher kleiner werden und die Vorbereitung auf den Winter, die vom Imker gemacht wird, früher beginnen muss, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Bei den Imkern, mit denen wir in dem Bienen-Projekt zusammengearbeitet haben, konnten durch bestimmte Unterstützungen und Tipps unsererseits große Verluste vermieden werden. Quelle [14]. Mehr im GID-Schwerpunktheft „Transgene Pflanzen und Bienen“ [15]

Und weil ja nur immer nur lesen und jammern auch nichts bringt, treten Feldbefreier und Feldbefreierinnen [16] öffentlich auf, um schon den Anfägen des großflächigen Anbaus zu wehren und gehen dafür sogar in den Knast (Spenden für Prozesskosten willkommen! [17] Siehe auch die Prozessberichte [18]). Andere bevorzugen Nacht und Nebel [19], um teure und aufwendige Freilandversuche vorzeitig zu Sondermüll zu machen und damit dem unkontrollierbaren [20] Treiben des gen-agro-industriell-wissenschaftlichen Komplexes [21] den Standort madig zu machen. Auch wenn also der Rückzug der Bienen in die Stadt diese vielleicht vor den übelsten Einflüssen transgener Pflanzen schützt, so schützt mich der Rückzug ins Private doch weder vor der Politik noch vor dem schlechten Wetter.

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