Kalter Krieg statt Impffortschritt

Die Tagesschau meldet:

Bei den Berliner GrĂŒnen gibt es grundsĂ€tzliche Bedenken gegen Sputnik V, unter anderem vor dem Hintergrund des Konflikts mit Russland wegen des in einem Straflager inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny. Bei einer kontroversen Diskussion hatte sich der Senat am vergangenen Dienstag zu dem Thema noch nicht „abschließend positioniert“.

Von moralisch so aufrechten MenschenrechtskĂ€mpfern erwarte ich dann auch die sofortige (nein: nicht Bombardierung Moskaus, obwohl mich wundert, warum das noch nicht kam, nach der Bombardierung Belgrads 1999…) Ich erwarte die sofortige Absage an alle Impfstoffe aus England und den USA. Wegen Julian Assange, Ihr wisst schon, Wikileaks, den in einem englischen Hochsicherheitsknast inhaftierten US-Kriegsverbrechens-Kritiker. Der, dessen Fall der UN-Sonderbeauftragte fĂŒr Folter untersuchen sollte, dabei an den sog. westlichen Rechtsstaaten verzweifelte und nicht mehr anders konnte als mit Hannah Arendt zu bilanzieren: „Es geht nicht um eine böswillige Verschwörung“, er sehe eher die „BanalitĂ€t des Bösen“ am Werk.

Ich erwarte den ebenso konsequenten menschenrechtsorientierten Boykott von Astra-Zeneka (England/Schweden) und Biontec-Pfizer (USA, von Mumia Abu-Jamal will bei den grĂŒnen TugendwĂ€chtern im Berliner Senat offensichtlich auch noch nie jemand gehört haben – die junge Welt berichtet). Huch! Unser gutes deutsches, klimaneutrales, quotiert-doppelbespitztes Biontec, das mit der Einwanderungsgeschichte in der Familie? Ja, leider auch das. War nicht machbar ohne Kooperation mit dem Konzern aus dem Journalistenfolterstaat.

Pfizer hÀtte sogar ein direktes Motiv, gegen Assange nachtreten zu lassen: Im Dezember 2010 intervenierte WikiLeaks mit der Veröffentlichung von Dokumenten in ein Verfahren gegen Pfizer wegen nicht ausreichend genehmigter Medikamententests in Nigeria. Dort waren 15 Jahre zuvor Kinder gestorben, weil ihnen im Rahmen der Tests wirksame Medikament vorenthalten worden waren. Die veröffentlichten Dokumente belegen, wie Pfizer in der Folge versucht hatte, den nigerianischen Staatsanwalt unter Druck zu setzen, um hohen Strafzahlungen zu entgehen (vgl. Wikipedia).

Da bliebe also dann kaum noch was außer dem finnischen Open Source-Impfstoff. Und mit dem lĂ€sst sich nicht auf erprobte Art und Weise Profit machen.

In der Berichterstattung lese ich leider nicht, welchen Impfstoff sich die feinen Herren und Damen der Berliner GrĂŒnen reserviert haben. Was diese Gang da an den Tag legt, ist das Gegenteil von Politik: Moralisierendes IdentitĂ€tsgehabe. Üblicherweise zeichnen sich solche Selbstgerechtigkeiten wenigstens durch keinerlei materielle Folgen aus. Hier wirken sie ausnahmsweise tödlich. Andere mögen ausrechnen, wie viele unschuldige Opfer der grĂŒne Impfstoffboykott fordert.

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