Kriegskredite stehen im Grundgesetz – Musikschule soll jetzt Privatvergnügen werden

Update Mitte Mai 2024: Stellt sich raus, es geht gar nicht nur um Neukölln. Berlinweit haben die Musikschulen ein Problem. Daher gibt es auch eine neue Petition:

Die Musikschulen dürfen nicht weitermachen mit ihrem System der Scheinselbstständigkeit bei Anstellungen auf Honorarbasis. Aber alle fest anstellen: Wo kämen wir da hin? Ordentliche Beschäftigungsverhältnisse: Luxus, den wir uns nicht leisten können. Ist immerhin Krieg. Und ja, seitdem der Krieg ist, naanaanannananaaa, wussten schon die Goldenen Zitronen. Zufällig genehmigt „Sparminister“ Lindner von der Partei der Besserverdienenden gerade nochmal 3,8 Milliarden oben drauf bei der Waffenhilfe für die Faschisten in der Ukraine. Außerplanmäßig wohlgemerkt, zusätzlich zu den mehr als 7 Milliarden, die sowieso schon eingeplant sind. Trotz Schuldenbremse und Haushaltssperre. Geht doch, ja, seitdem der Krieg ist, naanaanannananaaa. 3,8 Milliarden insgesamt einfach so mal extra, rechnen wir mal großzügig 80.000€ Brutto Jahreseinkommen (inkl. Arbeitgeberanteile) für eine festangestellte Musikschullehrkraft, das ergibt 47.500 Stellen. Es gibt in der ganzen BRD knapp 1.000 Musikschulen, davon 12 in Berlin. Das Extra, was sie verballern wollen in der Ukraine, um den Krieg dort am Laufen zu halten, entspricht also etwas rund 550 neu festangestellten Musikschullehrkräften in Berlin. Zusammengefasst: Ein paar Raketen weniger und alle Berliner Honorarmusiklehrkräfte wären fest angestellt. Wahnsinn. Update Ende.

Wie wärs andersrum? Aber was ist anderes zu erwarten im Schweinesystem. Dennoch rufe ich auf zur Unterstützung der Petition zum Erhalt der Neuköllner Musikschule. Deren Namensgeber Paul Hindemith hat übrigens eine irre Biographie. Als Sohn eines Anstreichers fing er in der Musikschule an. „Als Dirigent profitierte er von seiner weitgehend professionellen Beherrschung aller gängigen [Herv. mois] Orchesterinstrumente.“
Zur Petition

Jeder Zeit ihren Song: „Ich bin ein Stein“

Wer nicht gerade mit dem Nachbau der 200-Euro-DIY-Lüftungsanlage des Max-Planck-Instituts für Chemie in einem Schul- oder Kindergartenraum beschäftigt ist, dem empfehle ich den Song: „Ich bin ein Stein“.
Das Original I am a Rock ist von Simon & Garfunkel aus den 1960ern. Da gibts viele schöne Videos von, wie die beiden das vorsingen. Meine Lieblingsversion ist ein Hardcore-Cover von Shelter aus dem Jahre 2000.

Zum Mitsingen, allein, zuhause: „Jeder Zeit ihren Song: „Ich bin ein Stein““ weiterlesen

Acid Pauli

Eine Handvoll höchste hörenswerter DJ-Sets von Acid Pauli aka Console aka Martin Gretschmann, the „universal scholar of pop“ (so die Süddeutsche neulich mal ganz passend): http://acidpauli.pushtopull.org/files/, auf keinen Fall versäumen: die fünf Teile von Mit Gummistiefeln durch den Bach stelzen, großartig: der Übergang von Teil 3 nach Teil 4. Wie dieses Only You aus dem ewigen Loop irgendwann herausklingelt. Schade dass genau an dem Übergang der File geschnitten ist.

Wer guckt eigentlich noch TV

Drei Videos, die ich beim besten willen nicht im Youtube-Nirvana verschollen gehen lassen kann: 1. ein antikolonialer Agitprop-Animationsstreifen: x3: Lieber Afrikaner (directors cut), 2. ein erschütterndes Dokument aktueller Entwicklungen im suburban-kleinstädtischen Jungend-Subkulturbereich: roller karussell, und ein ergreifender Beitrag zur Integrationsdebatte aus dem Genre „misheard lyrics“: Deutsch – Türkisch / Keks! Alter Keks! Übersetzung LUSTIG!

Mit Tocotronic auf dem Narrenschiff

das tocotronic-konzert gestern abend, eine angekündigte reise mit dem narrenschiff. ‚pure vernunft darf niemals siegen‘, so der dialektik-der-aufklärung-lastige hit vom aktuellen album.

höhepunkt war der schluss. ’neues vom trickser‘ endete in einem sonic-youth-artigen gitarren- und rückkopplungsgewitter. immer wieder der refrain: „einszueins ist jetzt vorbei“. bis mir durch den kopf ging: klar, das meint die aufkündigung des klassenkompromisses.

da die letzten worte v.lovzows, geschrien aus vollem hals über das die lärmwand hinweg: ‚halsmaul deutschland‘. dann noch auf dem boden rumkriechend rückkopplungen bastelnd und schluss. das war punkrock.

materialien:

  1. Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ war bis zu Goethes ›Werther‹ das erfolgreichste Buch in deutscher Sprache. Erstmals gedruckt zur Fastnacht 1494 in Basel, schildert es menschliche Schwächen und Verfehlungen im satirischen Sinnbild des Narren und greift dabei mittelalterliche Traditionen auf, die in humanistischer Perspektive, aber auch im Kontext des oberrheinischen Fastnachtstreibens, konkretisiert und neu gedeutet werden. In der Beigabe von Holzschnitten, die wohl teilweise von dem jungen Albrecht Dürer stammen, nutzt Brant bewusst die Möglichkeiten des neuen Druckmediums. Das ›Narrenschiff‹ kann als literarisch gefilterter Spiegel der Umbruchszeit um 1500 gelesen werden und bietet sich (etwa im Verständnis von Michel Foucault) als Dokument frühneuzeitlicher Fortschrittsskepsis an. In der lateinischen Version von Jakob Locher (›Stultifera Navis‹, zuerst 1497) hat das ›Narrenschiff‹ auf die zeitgenössische Literatur und Kultur weiter gewirkt, wie etwa Murners ›Narrenbeschwörung‹ und ›Schelmenzunft‹, die Straßburger Narrenschiff-Predigten Geilers von Kaysersberg und Erasmus’ von Rotterdam ›Lob der Torheit‹ bezeugen.
  2. http://ik.euv-frankfurt-o.de/module/modul_IV/archaeologie.html
  3. Michel Foucault sagt in «Eine Geschichte des Wahns im Zeitalterder Vernunft»: «Man könnte fast sagen, dass Wasser viel mit Wahnsinnzu tun hat. Und Wasser hat auch viel mit Emigration zu tun. Viele wichtige Episoden der Emigration bestehen aus dem Überqueren desMeeres, oft mit einem Schiff.» Das Narrenschiff nahm eine besondere Stellung in den metaphorisch-maritimen Diskussionen der damaligen Zeit ein. Foucault erwähnt, dass im frühen 15. Jahrhundert Wahnsinnige und Geisteskranke auf Schiffen fortgebracht wurden. Das Narrenschiff diente dazu, die Irren, die aus der befestigten Stadt Nürnberg vertrieben wurden, auf eine ziellose Reise mitzunehmen. Die Passagiere gehörten nirgendwo mehr hin.

Resolution der Kommunarden

Ein Lied, ein schönes Lied: „Die Resolution der Kommunarden“ (Text: Bert Brecht, Musik: Hanns Eisler – also ganz klassisches Kulturgut), gespielt und gesungen von „Dritte Wahl“ (Link zum Liedtext gibt’s auch noch für alle, die beim Zuhören ein bisschen langsamer sind).

Tocotronic: neue Platte

Früher hätte ich gesagt – erfreut ausgerufen: Tocotronic hat eine neue Platte gemacht! Naja. Auf jeden Fall ham sie neue Lieder gemacht, nach ihren Vorstellungen zusammengestellt und dem ganzen einen Namen gegeben: „Pure Vernunft darf niemals siegen“. Offener war die Reminiszenz an alte Kritische Theorie und Dialektik der Aufklärung noch nie. Jetzt hab ich die Lieder auch schon alle mal angehört und sie sind gut. Inhaltlich bleibt – jenseits der Anspielung – alles kryptisch, bestenfalls kodiert – ich werde sehen, was sich mir im Lauf der Zeit entschlüsselt. Eines haute mich jedoch fast um: Es gibt ein Lied, das heißt „Alles in allem“ und irgendwann im Refrain verschiebt sich die Formulierung: Dann heißt es „Alles für alle!“. Musikalisch sind sich die Jungs im untergründig manisch gitarrisch Treibenden treu geblieben. Trotz der zweiten Gitarre, die hinzugekommen ist und all dem, was über mehr Kunstfertigkeit usw. geschrieben wird. Ist zwar kein Grunge mehr. Aber Grunge kann keiner auf Dauer machen. Kurt C. hats probiert und gezeigt, wohins führt…

Sample-Universum

jeder hiphop-track ist ein sample- und verweisuniversum.

für „paul’s boutique“, die beastie boys platte von 1989, hat irgendein freak eine website gemacht, die das mal nachzeichnet und diese ecke des hiphop-universums damit auch für uneingeweihte wenigstens erahnbar macht. wer ‚paul’s boutique‘ irgendwo rumliegen hat, sollte sich mal einlassen drauf: Paul’s Boutique Samples and References List