Zu Protokoll (Ohne mich III)

Fast genau heute vor 80 Jahren, die Konferenz von Évian: Dort berieten die Vertreter von 32 Nationen und 24 Hilfsorganisationen ĂŒber das Problem der rapide ansteigenden FlĂŒchtlingszahlen von Juden aus Deutschland und Österreich. Die Konferenz endete weitgehend ergebnislos, da sich außer der Dominikanischen Republik alle Teilnehmerstaaten weigerten, mehr jĂŒdische FlĂŒchtlinge aufzunehmen. Viele Zeitzeugen und Historiker sehen in Evian ein moralisches Versagen der westlichen Demokratien, da ein anderer Ausgang viele Juden vor der Ermordung im Holocaust hĂ€tte bewahren können.

Heute stellt die ehemals liberale Wochenzeitung „Die Zeit“ Seenotrettung im Mittelmeer – und damit implizit auch deren tragende völkerrechtliche Grundlagen – offen zur Debatte. Bislang als nicht relativierbar geltende GrundsĂ€tze des internationalen Rechts – insbesondere die ausnahmslose Pflicht zur Rettung in Seenot geratener Menschen – wurden mit dem „Pro & Contra“ zu einer beliebig zu befĂŒrwortenden oder abzulehnenden Angelegenheit herabgestuft. So heißt es, das „Ertrinken im Mittelmeer“ sei „ein politisches Problem, zu dessen Lösung die private Seenotrettung null und nichts beizutragen hat“: Politik bestehe „nicht darin, das vermeintlich Gute einfach mal zu machen, sondern darin, die Dinge im Zusammenhang zu betrachten“ (Quelle: Mariam Lau: Retter vergrĂ¶ĂŸern das Problem, zeit.de 11.07.2018).

Neulich hab ich zum ersten Mal von einer schwarzen Wasserleiche getrĂ€umt. Nicht auf dem Meer, sondern auf einem Fluss oder so. Denn ans Mittelmeer fahre ich nicht mehr. Dazu kann mich der Heimatminister immerhin nicht auch noch zwingen. Aber dem Traum wars egal: Ich stand auf einer BrĂŒcke und wollte mit Jurek Schiffe gucken. Vielleicht wars auf dem Landwehrkanal. Er hat nicht hingeguckt. Mir hat sich das Traumbild aber kurz vor dem Aufwachen noch auf die Netzhaut gebrannt. Inneres Exil funktioniert also auch nicht.

Vor drei Jahren wusste die gleiche Zeitung noch: Im Libanon leben weit mehr als eine Million FlĂŒchtlinge, ein Drittel der Bevölkerung. Trotzdem kommt das Land irgendwie mit ihnen zurecht. Und 4 Mrd. Euro mehr fĂŒr die Bundeswehr sind ja schließlich auch da, das sind immerhin mehr als 10% mehr von einem Jahr (2018) aufs andere (2019). Nur weil es sich der Drumpf so gewĂŒnscht hat. Ich wĂ€r ja eher aus der Nato ausgestiegen, oder hĂ€tte zumindest die Mitgliedschaft auf Eis gelegt. Ging ja schon mal, bei den Franzosen, sellemols. Aber gut. Man sagt mir ja immer schon einen Hang zum Geiz nach. Und wenn wir gerade von Drumpf reden: Vor mehr als 200 Jahren gelang es mehr als 100.000 Sklaven, heute wĂŒrde es heißen WirtschaftsflĂŒchtlingen, aus den Sklavenhalterstaaten im SĂŒden der USA in den Norden zu fliehen. Ihre UnterstĂŒtzer_innen heißen heute nicht Schlepper, sondern Fluchthelfer, die Underground Railroad wird in ihrer Romanverarbeitung preisgekrönt.

Einer von den Alten, nichts mehr zu verlieren offenbar, bringt die Dinge in den Zusammenhang: „Wir, die Bewohner der Wohlstandsinsel Europa, sind die Hehler und Stehler des Reichtums der sogenannten Dritten Welt. Auf deren Kosten und Knochen haben wir uns bereichert. Die BodenschĂ€tze Afrikas haben wir ausgeraubt. Westliche Agrarkonzerne kaufen ganze Landstriche auf und entwurzeln so eine jahrhundertealte Subsistenzkultur, die ihre Menschen ernĂ€hrte. LandflĂ€chen, so groß wie halb Europa, sollen sich bereits im Besitz westlicher Agrarkonzerne befinden. Die Spekulation mit Ackerboden verspricht hohe Rendite; Nahrung wird Aktie. … Wenn 500 Millionen EuropĂ€er keine fĂŒnf Millionen oder mehr verzweifelte FlĂŒchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden „Europa“ wegen moralischer Insolvenz.“ (Norbert BlĂŒm in der SZ, 12.7.18, nicht etwa im Schwerpunktheft Landwirtschaft der Zeitschrift Luxemburg)

Und genau das haben sie vor, die Seehofers, Salvinis, der Ungar wie heißt er noch, die beiden feinen Pinkel in Österreich und Frankreich. Diese ganze Bande, die das Elend von arm und reich selbst erzeugt, – 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche in Österreich den Migranten anzuhĂ€ngen: Das werden sie auch noch schaffen – um dann Ressentiments zu schĂŒren und weiter gegen die SchwĂ€chsten Politik zu machen. DafĂŒr zu sorgen, dass die Reichen immer reicher werden und alle schön immer nach unten treten. Ein langsames schmerzhaftes Siechtum wĂŒnsche ich ihnen und denen, zu deren Gunsten sie Politik machen.

Alternatives Ende: UnterstĂŒtze die „Initiative SeebrĂŒcke des Bundes„!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert